Stendaler öffnet sein Kartenalbum auch gern für Motive aus Bismark
Stendal / Bismark – „Mit der Leuchtlupe lassen sich die ganzen Details erkennen.“ Wilfried Günther reicht das Arbeitsgerät. Ein mittelgroßer länglicher Karton steht bereits auf dem Tisch. Arendsee, Arneburg und Bismark sind darin verpackt.
Der Stendaler sammelt historische Ansichtskarten. „Von A bis Z ist alles dabei“, versichert der 77-Jährige, öffnet ein kleineres Album und hält den Bismarker Zuchtviehmarkt in der Hand.
Die Karte dürfte um 1920 entstanden sein. Günther zeigt immer mehr, das Amtsgericht von 1924, die Goldene Laus und die Breite Straße, beides kaum jünger, den Bismarckstein und Motive aus kleineren Ortschaften drum herum.
Mindestens vier Mappen und einige Hundert Karten umschreiben ein Gebiet, das heute die Einheitsgemeinde Bismark ist. Wie viele Motive es genau sind, will der frühere Lokführer einfach nicht sagen. Schon gar nicht, wie umfangreich seine Sammlung insgesamt ist, es dürften locker einige Tausend Postkarten verschiedenster Art sein. „Das ewige Zählen, Vergleichen und Ausstechen ist einfach nicht meins.“ Hinzu kommt: Das Hobby ist nach wie vor durchaus angesehen und weckt mitunter Begehrlichkeiten, trotz einer Durststrecke und des Siegeszugs von Telefon-Kurznachricht und E-Mail. Eine Karte geht nur noch selten auf Reisen.
Bismark und Umgebung spielen für ihn eine untergeordnete Rolle. „Das darf mir bitte niemand übel nehmen. Wenn sich die Ortschaften zu uns eingemeinden lassen, ändert sich das“, meint er verschmitzt. Der waschechte Stendaler hat vor allem seine Heimat im Blick. Die jüngste Gebietsreform vor zehn Jahren vergrößerte sein Sammelgebiet noch einmal. Mit einer Karte verbindet ihn besonders viel, ist doch auf ihr sein Elternhaus an der Georgenstraße zu sehen. Früher waren überall Wanderfotografen unterwegs und lieferten Bildmaterial, das um die Welt gehen konnte. Günther will in einem Fenster seinen Großvater erkennen.
Der Altmärker lernte und arbeitete bei der Eisenbahn und fuhr auch einige Jahre zur See. Er habe die ganze Welt gesehen, vielleicht mit Ausnahme von Australien und den USA. Auch mit seiner Frau Friedel, inzwischen verstorben, ist er oft unterwegs gewesen. „Ja, in diesem positiven Sinne bin ich sicherlich eine Art Rumtreiber“, meint der Rentner und lacht. In irgendeiner Partei sei er übrigens nie gewesen, weder in der DDR noch heute im vereinten Deutschland. Seine Leidenschaft für Postkarten entwickelte sich so richtig erst nach dem Umbruch im Osten. Im Nachlass seiner Mutter Ella hatte er Sammel- und Postkarten gefunden.
Postkarte ist nicht gleich Postkarte und mancher Bereich eine Wissenschaft für sich. Um 1900 wurde diese Form der Kommunikation populärer. Manche Verleger und Druckereien brachten sogar kleine Kunstobjekte auf den Markt. Es gibt Karten, die sind mit Bildern verziert oder mit Seide bestickt, andere bestehen ganz und gar aus Holz oder Kork, wieder andere leuchten an bestimmten Stellen, wenn sie im Dunkeln vor eine Lampe gehalten werden. Gern und oft verliert sich der 77-Jährige aber in den Motiven, die das alte Stendal zeigen, die historischen Straßen und Plätze, die unverwechselbaren Stadttore, Denkmäler und Parks.
Günther reist regelmäßig zu Tauschbörsen und Auktionen, vor einigen Jahren noch häufiger als heute. Zweimal im Jahr, im Frühjahr und Herbst, baut er seinen Kartenstand bei der Tauschbörse von Eisenbahnfreunden in Kläden auf. Dass in der Einheitsgemeinde Bismark vielleicht 2023 oder auch später des Altmärkische Heimatfest stattfinden könnte und der Sachsen-Anhalt-Tag 2022 garantiert in Stendal über die Bühne geht, freut den Sammler. „Es ist für uns die Möglichkeit, neue Kontakte zu knüpfen und Menschen kennenzulernen.“ Und natürlich wären da wie dort auch eine größere Ausstellung möglich.
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